Als mir von "windelfrei" erzählt wurde, dachte ich nur: "also ich habe keine Ahnung, wann mein Baby muss" (und Vieles mehr) und ich konnte mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich das so schnell ändern könnte.
Dennoch gab es immer wieder Momente, die sich wiederholten, bei denen ich nicht daran gedacht hätte, dass sie etwas mit dem Ausscheidungsbedürfnis meines Babys zu tun haben.
Fast jedes Elternteil kennt diese Situationen (mehr unten auf der Seite):
Das Baby dockt beim Stillen ständig an und ab oder verweigert trotz Hunger die Brust oder Flasche.
Das Baby schläft (endlich!) und wacht kurz darauf (manchmal weinend) wieder auf.
Du möchtest mit dem Auto wegfahren. Das Baby ist frisch gefüttert, hat eine frische Windel und schreit in der Autoschale.
Bei all diesen Momenten war meine Antwort "Herumtragen, Wiegen und Beruhigen" des Kindes. Es dauerte unterschiedlich lang und war sehr kräftezehrend (v.a. nachts). Als ich herausgefunden hatte, dass es alles Situationen waren, in denen die kurze Antwort "Windel aus und abhalten" war, wurde Vieles leichter, weil es einfach nicht mehr so lange dauerte bis sich das Kind tatsächlich beruhigt hatte.
"Abhalten" bedeutet, dass man dem Baby die Möglichkeit gibt, sich außerhalb der Windel, z. B. über einem Töpfchen zu erleichtern.
Wenn ich nun unterwegs bin und erzähle, dass wir "windelfrei machen", werde ich immer genau diese eine Frage gefragt:
Woher weiß man, dass das Baby müde ist oder Hunger hat? Auch die Zeichen dafür mussten wir lernen und nutzen ähnliche Wege wie beim Abhalten.
Diese 4 Wege kann man nutzen, um einen Moment zu finden, in dem man dem Baby das Abhalten anbietet:
"Steinzeit-Babys" auch auf diesem Gebiet
Viele Eltern berücksichtigen instinktiv beim Schlafen, Stillen, Tragen, ... immer wieder, dass wir es nach wie vor mit Babys zu tun haben, die noch immer auf Steinzeit-Zeiten "programmiert" sind. Die Grundbedürfnisse waren und sind es immer noch auf diese längst vergangene Zeit eingestellt. Nur an einer Stelle hat es die moderne Zeit geschafft, unsere Instinkte auf einem Abstellgleis zu parken: der Umgang mit den Ausscheidungen.
Immer wieder heißt es, Babys bzw. Kleinkinder könnten erst im Alter von frühestens 2 Jahren ihre Ausscheidungen kontrollieren oder darüber kommunizieren. Aber das wäre für das Überleben unserer Art wohl eher kontraproduktiv gewesen. Wenn man genauer darüber nachdenkt, leuchtet es schnell ein. Ein Baby, das einfach überall ohne Vorwarnung sein Geschäft verrichtet, ist gefährlich. Es würde sein Nest und seine Betreuer beschmutzen und so immer wieder wilde Tiere anlocken. Sie müssen also von Anfang an in der Lage sein, ihr Bedürfnis "anzumelden" und zumindest kurz "anzuhalten". Wir haben nur verlernt, ihre Zeichen zu deuten, weil wir von den Windeln abgelenkt sind. Kaum jemand hat noch Erfahrungen, die er weitergeben könnte. Schließlich wurden wir auch Vollzeit gewickelt, ohne auf Zeichen zu achten.
"Windelfrei" greift altes Wissen wieder auf. Es geht nicht um Töpfchentraining, mit dem das Kind möglichst früh trocken werden soll. Es ist die Möglichkeit, sich nicht abhängig von den Windeln zu machen und dem Kind anzubieten, sich außerhalb der Windel zu erleichtern. Babys kommunizieren von Anfang an und darauf einzugehen, stärkt die Bindung zum Baby zusätzlich. Geht man nicht auf diese Kommunikationsversuche ein, weil man nicht darüber Bescheid weiß, stellt sich das Baby nach einiger Zeit (meist 4 - 6 Monate) darauf ein. Es ignoriert, dass es muss und lässt einfach laufen bis der Druck weg ist. Nach einiger Zeit nimmt es gar nicht mehr wahr, dass es gerade muss. Deshalb ist auch der Abschied von der Windel später so schwierig. Sie müssen das Gefühl und die Kontrolle erst wieder neu erlernen. Werden sie nur ein Mal am Tag abgehalten, können sie dieses Gefühl behalten.
Das Baby dreht sich auf den Bauch, spielt, beginnt zu jammern, man "hilft" ihm zurück auf den Rücken, es dreht sich sofort wieder auf den Bauch und jammert.
Das Baby liebt das Tragetuch, will aber heute überhaupt nicht getragen werden und streckt sich weg von dir.
Das mobile Baby versucht immer wieder von der Krabbeldecke/dem Bett zu "fliehen", obwohl es sich eigentlich für das Spiel dort interessiert.
Das Baby entwickelt sich v.a. nachts zum Dauernuckler, ohne effektiv zu trinken.
Das Baby schläft sehr unruhig, wirft seinen Kopf immer wieder hin und her, streckt die Beine von sich, jammert oder dreht sich auf den Bauch und schiebt die Knie unter bzw. robbt so immer weiter ans Kopfende des Bettes.
Das Baby versucht ständig von deinem Schoß runter zu kommen.
Das Baby beschäftigt sich freudig und wird plötzlich quengelig, man nimmt es hoch und alles ist gut, legt man es daraufhin wieder ab, beginnt es lauter zu schreien.
Du machst die Windel ab, um das Baby zu wickeln und es pieselt als hätte es genau darauf gewartet.
Das Kind möchte immer wieder aus dem Hochstuhl/ aus dem Kinderwagen aufstehen.
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